Ein neuer Praxis-Mietvertrag kann Ärger bringen, muss er aber nicht
Worüber sollte sich der Mediziner schlau machen, bevor er mit dem Vermieter über Vertragskonditionen redet?
CARSTEN LUDLEY: In erster Linie muss dem Arzt klar sein, was seine Praxis abwirft, was er damit erwirtschaftet. Daraus ergibt sich, was er sich an Räumen leisten kann. Danach kommt es auf das Verhandlungsgespräch um den Praxis-Mietvertrag und die jeweilige Situation an. Ist das Mietobjekt zum Beispiel eine Gründerzeitvilla und steht deren Sanierung unmittelbar bevor oder hat diese bereits begonnen, so ist dieser Zeitpunkt bei größeren Investoren mit unterschiedlichen Abteilungen (Vermietungsabteilung, technische Abteilung usw.) ein (noch) geeigneter Moment, bauliche Änderungswünsche zu verhandeln. Denn alles, was vom Vermieter vor oder während der Bauphase an der ursprünglichen Planung ohne nennenswerte Zusatzkosten geändert werden kann, wird erfahrungsgemäß unentgeltlich realisiert.
Einen Tipp gebe ich jedoch allen von mir beratenden Mietern aus dem medizinischen oder medizinnahen Bereich: Erstellen oder erwerben Sie keinen eigenen Mietvertrag, den Sie dem Vermieter vorlegen. Damit würden Sie gesetzliche Schutzmechanismen von vornherein leichtfertig aufs Spiel setzen, die Ihnen zustünden, wenn der Mietvertrag vom Vermieter vorgelegt würde.
HOLGER BRUMMER: Als Praxen Planer bin ich sehr dafür, dass der Arzt schon mit genauen Punkten in die Mietverhandlungen zum künftigen Praxis-Mietvertrag geht. Zunächst ist zu klären, ob es baurechtlich überhaupt denkbar ist, hier einzuziehen. Danach geht es darum, wie sich sein Nutzungskonzept für die nächsten 15 Jahre in den Räumen darstellen lässt und ob sich persönliche Vorstellungen und künftige Praxisabläufe mit der Gebäudestruktur vereinbaren lassen. Wir reden hier von Anzahl und Lage der Räume und weiteren Dingen, die sich aus Arbeitsstättenverordnung, Landesbauordnung, Barrierefreiheit und hygienischen Anforderungen ergeben. Der Arzt sollte auch wissen, welche Kompromisse er eingehen muss – etwa bei Raumgrößen oder Parkplätzen. Erst dann lässt sich abschätzen, ob es den Deal wert ist.
Beide Seiten brauchen auch einen gewissen Überblick über die erforderlichen baulichen Maßnahmen. Nicht zu unterschätzen sind Projekt- und Zeitplanung: Wann ist der alte Mietvertrag zu kündigen, wie lange dauert die Bauphase, wann erfolgt die Fertigstellung, wann der Einzug?
Welche klassischen „Fußangeln“ kann es bei den Praxis-Mietvertrag geben?
HOLGER BRUMMER: Der Klassiker – der Arzt findet eine Fläche, sieht sich die Räume an – Lage ist top, Aufteilung passt auch schon gut. Dann fragt er nach dem Mietzins. 7,80 Euro sagt der Makler. Super. Aber nach und nach zeigt sich – er braucht noch vier Waschbecken, ein barrierefreies WC wird ebenfalls benötigt und ein Datennetzwerk gibt es ja auch nicht. Die Wünsche an den Vermieter werden immer mehr. Irgendwann ist man bei 9,50 Euro statt der anfänglichen 7,80 Euro / qm. Besser, der Arzt weiß vorher in etwa, was er alles braucht.
Oder nehmen wir den Zweck der Nutzung. Wenn die Praxis beispielsweise in einer ehemaligen Steuerkanzlei entstehen soll, wissen Vermieter oft nicht, was rechtlich bzw. baurechtlich auf sie zukommt. Also möchten sie sich pauschal davon befreien. Im Mietvertrag steht dann gerne mal, dass alle rechtlichen Belange Sache des Arztes sind.
CARSTEN LUDLEY: Dass der Mieter für alle behördlichen Genehmigungen, die für seinen Betrieb notwendig sind, einzustehen hat, bezieht sich nur auf die persönlichen und die betriebsspezifischen Anforderungen.
Wenn dagegen im Mietvertrag ein bestimmter Nutzungszweck – z.B. Radiologie – bestimmt ist, übernimmt der Vermieter damit die Garantiehaftung. Und zwar dafür, dass die Räume zum Betrieb einer Radiologie geeignet sind. Die Voraussetzungen dafür muss der Vermieter schon selbst schaffen, ansonsten liegt ein Mangel in der Mietsache vor. Gleiches gilt in Bezug auf das Zweckentfremdungsverbot und den damit verbundenen Nutzungsänderungsantrag – diese baurechtliche Genehmigung der Nutzung muss der Vermieter einholen.
In welchen Belangen gibt es aus Sicht des Anwalts zwischen Praxisbetreibern und Vermietern am häufigsten Ärger?
CARSTEN LUDLEY: Meistens betrifft es laufende Mietverhältnisse. Oft gibt es Ärger wegen Schönheitsreparaturen, Betriebskosten oder Mangelbeseitigung. Oder aber der Mieter will eher raus und der Vermieter ist hierzu nicht bereit. Dann höre ich oft: Wieso bin ich jetzt in dieser Misere, der Vertrag wurde doch von meinem Steuerberater geprüft? Warum nicht vom Anwalt, erschließt sich mir nicht.
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