Wichtige Aspekte, die jede Praxisübernahme begleiten sollten
Die Entscheidung zur Übernahme einer Praxis ist für Mediziner oft der Schritt in die Selbstständigkeit und bedeutet einen großen beruflichen wie auch finanziellen Meilenstein. Doch viele unterschätzen die versteckten Herausforderungen und potenziellen Fallstricke, die in Bestands-Praxen lauern können. Von räumlichen Einschränkungen über organisatorische Mängel bis hin zu baurechtlichen Problemen gibt es vieles zu bedenken. Diese Checkliste bietet eine fundierte Orientierung, um die wichtigsten Punkte vor der Übernahme gezielt zu prüfen und bewahrt künftige Behandler vor teuren Fehlern.
1. Räumliche Gegebenheiten prüfen
Eine der wichtigsten Überlegungen bei der Praxisübernahme betrifft die räumliche Struktur und Größe der Praxis. Viele Bestands-Praxen sind nicht optimal auf moderne Praxisbedürfnisse ausgerichtet.
- Sind die Räumlichkeiten groß genug für das angestrebte Leistungsspektrum?
- Gibt es ausreichende Sprechzimmer? Häufig ist die Zahl der Sprechzimmer limitiert, was bei einem höheren Patientenaufkommen oder bei zusätzlichem Personal problematisch sein kann.
- Reichen Empfangs- und Wartebereiche aus? Ein überfülltes Wartezimmer oder ein eng bemessener Empfangsbereich beeinträchtigen den Praxisablauf und die Patientenzufriedenheit.
Eine unzureichende Raumplanung kann die Erweiterung von Dienstleistungen oder die Einführung neuer medizinischer Verfahren einschränken. Es lohnt sich daher, Grundrisse und Raumpläne gründlich zu analysieren und, wenn nötig, eine professionelle Umstrukturierung in Erwägung zu ziehen.
2. Organisatorische Mängel erkennen
Die Effizienz der Praxisabläufe hängt stark von der Raumaufteilung und der Organisation ab.
- Wie ist der Empfang organisiert? Ein zentral gelegener Empfangsbereich ohne Tageslicht oder Backoffice kann die Diskretion beeinträchtigen und bei hohem Patientenaufkommen zur Überforderung führen.
- Ist eine diskrete Patientensteuerung möglich? Das Wartezimmer am Ende der Praxis zwingt Patienten beispielsweise oft durch interne Bereiche, was die Privatsphäre stört und die Abläufe in der Praxis behindern kann.
- Wie sind Funktionsräume für Diagnostik und Labor ausgestattet? Ein Praxislabor ohne direkten Zugang zu den WCs erschwert die Diskretion und verlängert unnötig die Laufwege.
Durch eine professionelle, im Vorfeld durchgeführte Analyse der organisatorischen Schwachstellen lassen sich potenzielle Störquellen frühzeitig erkennen und beheben.
3. Personelle Anforderungen berücksichtigen
Bei einer Praxisübernahme müssen die Anforderungen an das zukünftige Personal genau eingeplant werden. Viele Bestands-Praxen sind nicht darauf ausgelegt, dass sich das Team erweitert.
- Gibt es genug Platz für zusätzliches Personal wie Assistenzärzte oder medizinische Fachangestellte?
- Sind separate Backoffice- oder Verwaltungsräume vorhanden? Ein Bereich für administrative Tätigkeiten abseits des Empfangs verbessert nicht nur die Diskretion, sondern auch die Arbeitsbedingungen.
- Besteht die Möglichkeit, weitere Arbeitsplätze zu schaffen? Der Empfangsbereich sollte idealerweise Platz für mindestens zwei Arbeitsplätze bieten, um auch bei erhöhter Patientenzahl effizient arbeiten zu können.
4. Baurechtliche Gegebenheiten und Pflichten prüfen
Ein häufig unterschätzter Aspekt bei der Praxisübernahme sind die baurechtlichen Vorschriften und die Verantwortung, die daraus entstehen können.
- Gibt es ausreichend Patientenparkplätze? Viele Praxen bieten keine eigenen Parkmöglichkeiten, was die Patientenzufriedenheit mindert und rechtliche Risiken birgt. Im Idealfall sind Stellplätze barrierefrei gestaltet.
- Entspricht das Gebäude den aktuellen Anforderungen der Barrierefreiheit? Der Zugang zur Praxis und das WC sollten barrierefrei sein – andernfalls können gesetzliche Verpflichtungen zur Nachrüstung entstehen.
- Wer trägt die Verantwortung für baurechtliche Anpassungen? Häufig wird diese Verantwortung vom Vermieter auf den Mieter übertragen. Hier lohnt sich ein genauer Blick in den Mietvertrag, um spätere Überraschungen zu vermeiden.
5. Technische Ausstattung und Modernisierungsbedarf einschätzen
Viele ältere Praxen verfügen über veraltete technische Ausstattung oder eine Infrastruktur, die nicht mehr den heutigen Standards entspricht.
- Sind die diagnostischen Geräte und Funktionsräume auf dem neuesten Stand?
- Gibt es ausreichend Kapazitäten für den Einsatz zusätzlicher Geräte? Für medizinische Technik wie Langzeit-EKG oder Ultraschallgeräte braucht es speziell eingerichtete Räume.
- Kann die Technik mit den Anforderungen einer modernen Praxis mithalten? Oftmals müssen Kabel und Anschlüsse auf den neuesten Stand gebracht werden.
6. Patientenführung und Sprechstundenkonzepte bewerten
Gerade bei einer Praxis mit erhöhtem Patientenaufkommen oder speziellen Sprechstunden (z. B. Videosprechstunden oder Akutsprechstunden) spielt die Patientensteuerung eine zentrale Rolle.
- Sind die räumlichen Voraussetzungen für unterschiedliche Sprechstundenformate gegeben? Viele Praxen sind nicht für parallele Akut- und Bestellsprechstunden ausgelegt, was schnell zu Engpässen führen kann.
- Lässt die Praxisstruktur eine logische und diskrete Patientenführung zu? Ein Wartezimmer am Ende der Praxis führt oft zu erhöhtem Durchgangsverkehr durch interne Bereiche.
7. Zonierung und Wegeführung optimieren
Eine klare Trennung zwischen öffentlichen und internen Bereichen ist für die Effizienz und Diskretion einer Praxis essenziell.
- Wie sind öffentliche und interne Bereiche voneinander getrennt? Eine gute Zonierung erleichtert den Ablauf und schützt sensible Bereiche.
- Ist der Flur optimal genutzt? In vielen Praxen nimmt der Flur eine große Fläche ein, die für zusätzliche Funktionen genutzt werden könnte. Eine Zonierung kann diese Fläche effizienter gestalten.
- Gibt es Möglichkeiten zur Erweiterung? Ein Grundriss mit flexiblen Zonen erlaubt bei Bedarf eine Umstrukturierung ohne größere Umbauten.
8. Eingangsbereich und Wartezimmer einladend gestalten
Der erste Eindruck zählt – das gilt auch für Arztpraxen. Ein einladender Eingangsbereich und ein komfortables Wartezimmer können viel zur Wohlfühlatmosphäre beitragen.
- Ist der Eingangsbereich ansprechend gestaltet? Schon kleine Änderungen wie eine moderne Folienbeklebung oder ein neuer Schriftzug können den ersten Eindruck erheblich verbessern.
- Wie ist das Wartezimmer ausgestattet? Ist es lichtdurchflutet und groß genug für die Patientenzahl? Ein helles Wartezimmer vermittelt Ruhe und Gelassenheit und verkürzt gefühlt die Wartezeit.
- Gibt es eine Kinderecke oder andere Annehmlichkeiten? Eine Spielecke für Kinder oder ein Getränkeautomat erhöhen die Zufriedenheit der Patienten und können den Aufenthalt angenehmer gestalten.
9. Zukünftige Erweiterungen berücksichtigen
Auch wenn die Praxis bei der Übernahme den aktuellen Bedürfnissen entspricht, sollte bereits jetzt an mögliche zukünftige Erweiterungen gedacht werden.
- Sind die Räume flexibel für spätere Umbauten geeignet? Dies gilt insbesondere für diagnostische Funktionsräume, die künftig mehr Kapazitäten benötigen könnten.
- Können neue Funktionsräume hinzugefügt werden? Wenn die Praxis wächst, sind zusätzliche Räume für Labor, Technik oder Personal unverzichtbar.
- Besteht langfristig die Möglichkeit für einen Praxisumzug? Wenn die aktuelle Praxisstruktur nicht anpassbar ist, kann auch ein Umzug eine sinnvolle Lösung darstellen.
10. Fazit: Die strukturierte Analyse als Schlüssel zum Erfolg
Eine gründliche Analyse der räumlichen, organisatorischen und baurechtlichen Gegebenheiten ist essenziell für den Erfolg einer Praxisübernahme. Bestands-Praxen bergen oft versteckte Defizite, die nur durch eine professionelle und umfassende Prüfung aufgedeckt werden können. Durch eine frühzeitige und gezielte Analyse können Mediziner sicherstellen, dass die Praxis langfristig effizient und erfolgreich geführt werden kann. Dabei ist die Hilfe eines erfahrenen Beraters oft unverzichtbar – eine Investition, die sich durch eine reibungslose Praxisübernahme und zufriedene Patienten mehr als auszahlt.
Hinterlasse einen Kommentar